Ringvorlesung
Die Ringvorlesung der PD/TP wird ab 2018 als Ringvorlesung der fortgeschrittenen Forschenden und Lehrenden (Senior Academics) weitergeführt. Verantwortlich für die Organisation der Vorlesung und die Publikation der Vorträge ist eine Kommission, der folgende Personen angehören:
- Prof. Dr. Jan-Andrea Bernhard, ThF
- Prof. Dr. Michael Hässig, VSF
- PD Dr. Sabine Hoidn, PhF
- PD Dr. Malcolm Maclaren, RWF
- Prof. Dr. Matthias Neugebauer, ThF
- Prof. Dr. Wolfgang Rother, PhF
- Prof. Dr. Stephan R. Vavricka, MeF
- Prof. Dr. Ulrike Zeuch, PhF
Kontakt: Prof. Dr. Wolfgang Rother wolfgang.rother@philos.uzh.ch
Ringvorlesung 2019: «One Health» - Gesundheit und Krankheit aus interdisziplinärer Perspektive
«One Health» geht auf ein um 1900 entwickeltes Konzept der vergleichenden Medizin zurück und hatte zunächst die Zusammenarbeit von Human- und Tiermedizin zum Ziel. Laut Verfassung der WHO von 1946 umfasst Gesundheit neben dem körperlichen auch das geistige und soziale Wohlergehen und darf nicht reduziert werden auf die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen.
Dies bedeutet erstens, dass Gesundheit nicht nur ein Thema der Medizin und der Naturwissenschaften, der Umwelt- und Agrarwissenschaften ist, sondern in gleicher Weise der Psychologie, Theologie und Soziologie, der Gender Studies, der Sozial- und Kulturanthropologie wie auch der Politik-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaft usw.
Zweitens gerät in der Gesundheitsdefinition der WHO die Krankheit in den Blick, die nicht nur als Defizit gefasst werden kann, sondern eine eigene ontologische Dignität besitzt. So fasziniert in der Literatur und Kunst nicht so sehr das Gesunde als vielmehr das Kranke und Unanständige (Robert Musil).
Drittens tendiert Gesundheit als Norm oder Ideal dazu, das Kranke zu stigmatisieren. Das Ideal physischer Gesundheit kann zum krankhaften Körperkult und Gesundheitswahn bis hin zur Eugenik, das Ideal psychischer Gesundheit zu einem gesellschaftlichen Anpassungszwang bis hin zur politischen Disziplinierung und Repression von Devianz und Dissidenz führen.
Und viertens schliesslich werden Gesundheit und Krankheit als Metaphern gebraucht (Susan Sontag) – im politischen Diskurs, in Religion und Literatur.
Programm
18. September
Ressentiment als Krankheit? Von Nietzsche bis zum Populismus der Gegenwart
Prof. Dr. Urs Marti-Brander, Philosophisches Seminar
25. September
Das Meikirch-Modell -ein neues Paradigma von Gesundheit und Krankheit
Prof. em. Dr. Johannes Bircher, Hepatologie, Department for BioMedical Research, Medizinische Fakultät, Universität Bern
2. Oktober
Reformation und Krankheit. Die Pest – Bedeutung für Zwinglis Reformation?
Prof. Dr. Jan-Andrea Bernhard, Theologisches Seminar
7. Oktober
Opiate und die «therapeutische Revolution» in Japan
PD Dr. Judith Vitale, Historisches Seminar
9. Oktober
Welche Krankheiten behandeln Schaman*innen? Ethnographische Beispiele aus dem
Himalaya
Prof. Dr. Werner Egli, Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft
16. Oktober
Die Darmflora aus human- und veterinärmedizinischer Sicht
Prof. Dr. Michael Hässig, Vetsuisse-Fakultät
Prof. Dr. Stephan Vavricka, Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie, Zürich
23. Oktober
Literarische Krankheitserzählungen zwischen Fiktion und Realität
Prof. Dr. Christina Vogel, Romanisches Seminar
30. Oktober
Healthy Policy-making and International Migration (EN)
PD Dr. Malcolm MacLaren, Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht
6. November
Kind, Medizin und Recht – am Beispiel ADHS
PD Dr. Sandra Hotz, Rechtswissenschaftliche Fakultät
11. November
Ebola-Bedrohungsszenarien als sprachwissenschaftlich-kommunikative
Herausforderung
Prof. Dr. Thomas Bearth, Allgemeine Sprachwissenschaft und Afrikanistik
13. November
Lebensqualität und Traumafolgen bei Patienten nach einem Polytrauma – eine multidisziplinäre Herausforderung
PD Dr. Roman Pfeifer, Klinik für Traumatologie, UniversitätsSpital Zürich
20. November
Das Gesunde und Kranke in der Literatur. Robert Musil und die Krise der Moderne
Prof. Dr. Ulrike Zeuch, Deutsches Seminar
27. November
Im Spannungsfeld zwischen Tun und Lassen – ein medizinphilosophischer Beitrag
Dr. Beat Gerber, Bern, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH, MAS Philosophie und Medizin, Universität Luzern
4. Dezember
Behandlung von chronischen Schmerzen – eine interdisziplinäre Herausforderung
Prof. Dr. Eli Alon, Praxis für Schmerztherapie, Zürich
PD Dr. Andreas Gantenbein, RehaClinic Bad Zurzach
Dr. Kyrill Schwegler, Kompetenzzentrum für Psychosomatik, Universitätsklink für Neurologie, Inselspital Bern
11. Dezember
Die Entwicklung der Psychiatrie in der Slowakei aus historischer Perspektive
Prof. Dr. Josette Baer, Philosophisches Seminar
16. Dezember
Henri Matisse -krank am Körper, gesund an der Seele und ein unbändiger Schaffensdrang
PD Dr. Barbara von Orelli-Messerli, Kunsthistorisches Institut
18. Dezember
Von Grenzen und Resistenzen – Global Health Challengesin nah und fern
Prof. Dr. Jan Fehr, Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention UZHund Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, UniversitätsSpitalZürich
Prof. Dr. Nicolas Müller, Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, UniversitätsSpitalZürich
EN: Vorlesung in englischer Sprache
Universität Zürich, Zentrum Rämistrasse 71 18.15-19.45 Uhr |
Organisation: Kontakt: Prof. Dr. Wolfgang Rother wolfgang.rother@philos.uzh.ch |
Die Beiträge erscheinen in conexus 3/2020.
https://www.hope.uzh.ch/conexus/index
Ringvorlesung 2018: Irrtum und Erkenntnis
Irrtum und Erkenntnis sind auf den ersten Blick Gegensätze. Irrtümer entstehen aus falschen Annahmen und (folglich falschen) Schlussfolgerungen; Erkenntnisse hingegen sind Momente innerhalb eines Prozesses, der allgemein anerkanntes Wissen zu fundieren bezweckt. Erkenntnisse sind wissenschaftlich, Irrtümer nicht – so die landläufige Meinung.
Doch die Geschichte zeigt, dass grosse Irrtümer genauso zur Wissenschaft und zum Fortschritt gehören wie bahnbrechende Erkenntnisse. Und Erkenntnisse erweisen sich als Irrtümer: Die Sonne kreist um die Erde, die Erde ist eine Scheibe, Kaffee entwässert, unedle Metalle lassen sich in Gold verwandeln.
Referentinnen und Referenten aus allen Disziplinen sind dazu eingeladen, zum Thema «Vom Irrtum zur Erkenntnis» einen Aspekt ihres Faches vorzustellen. Führt Irrtum (immer) zur Erkenntnis? Und wie steht es mit dieser neu gewonnenen Erkenntnis: Ist diese vielleicht auch bloss vermeintlich? Welche Rolle spielt der Irrtum bei Perspektiven- bzw. Paradigmenwechsel innerhalb der Wissenschaften? Inwiefern sind Irrtümer nützlich, inspirieren die Forschung, führen auf neue Wege und zu ungeahnten Durchbrüchen? Erweisen sich Irrtümer manchmal sogar im Nachhinein als richtig?
Die Beiträge erscheinen in conexus 2/2019
Ringvorlesung 2017: Lust und Leiden
Dass wir die Lust dem Leiden vorziehen, dass wir von Natur aus nach Lust streben und Schmerzen nach Möglichkeit zu vermeiden suchen, gilt als anthropologischer Gemeinplatz. Doch allemAnschein und unserer Intuition zum Trotz sind Lust und Leiden nicht unbedingt konträre Empfindungen oder kontradiktorische Begriffe. Die Wahrheit ist – wie so oft bei einfachen und unbestrittenen Dingen - komplexer und komplizierter. Wir gehen bekanntlich solchen Lüsten aus dem Weg, an deren Konsequenzen wir möglicherweise leiden, und sind umgekehrt ohne weiteres bereit, um späterer Lustempfindungen oder auch nur um der Schmerzvermeidung willen Schmerzen zu ertragen. Religiöse Menschen fasten, bussfertige Ordensleute geisseln sich, Priester und Stoiker üben sich in strenger Enthaltsamkeit -und sind glücklich. Marathonläuferinnen, Jogger und Kraftsportler quälen ihren Körper und fühlen sich gut dabei. Masochisten empfinden Lust, wenn ihnen Schmerzen zugefügt werden.
Publikation
Josette Baer, Wolfgang Rother (Hg.): Lust und Leiden
conexus 1/2018 (Open Access)
https://www.hope.uzh.ch/conexus/issue/view/170
Ringvorlesung 2016: Terror
Publikation
Josette Baer, Wolfgang Rother (Hg.): Terror. Basel, Colmena, 2017
http://colmena.ch/buecher
Ringvorlesung 2015: Verbrechen und Strafe
Der Mensch – ein vernunftbegabtes, ein gesellschaftliches und politisches Wesen? Oder ein «Sünder», wie Adam und Eva, die das göttliche Gebot übertreten? Oder gar ein Kapitalverbrecher, wie unser Stammvater Kain, der seinen Bruder aus purem Neid erschlägt? Am Anfang der Geschichte der Menschheit stehen, so die Perspektive des biblischen Mythos, Verbrechen - und Strafe: die Vertreibung aus dem Paradies und damit die Entstehung von Arbeit, Technik und Kultur: Kain ist Ackerbauer, seine Nachkommen sind Erz- und Eisenschmiede, Zither- und Flötenspieler. Vor diesem Hintergrund wird klar: Verbrechen und Strafe lassen sich nicht auf den juristischen Aspekt von Gesetzesübertretung und angemessener Sanktion reduzieren - vielmehr geht es hier um die conditio humana in ihrer Komplexität, um die vielfältigen Facetten des Menschseins, die nur in einem interdisziplinären Zugriff adäquat erfasst werden können. In diesem Sinne werden im vorliegenden Band Verbrechen und Strafe aus theologischer und kirchengeschichtlicher, historischer und kulturvergleichender, literaturwissenschaftlicher und kunstgeschichtlicher sowie psychologischer und philosophischer Perspektive betrachtet.
Publikation
Josette Baer, Wolfgang Rother (Hg.): Verbrechen und Strafe. Basel, Colmena, 2017
http://colmena.ch/buecher
Frühere Ringvorlesungen sind in Buchform erhältlich, siehe Archiv>Ringvorlesungen.